NEIN zur Entlastungs- und Mittelstandsinitiative

Die von der Juso am 14. Dezember 2016 eingereichte "Entlastungsinitiative" verlangt zum einen, die sogenannte Nullstufe deutlich nach oben zu verschieben, und zwar von 6'700 auf 19'300 Franken bei den Ledigen und von 13'500 auf 28'900 Franken bei den Verheirateten. Steuerbare Einkommen unter diesen neuen Grenzen blieben neu steuer-frei. Zum anderen würde der Tarif für steuerbare Einkommen bis etwa 100‘000 beziehungsweise 120‘000 Franken reduziert. Der Tarif für alle Einkommen darüber hingegen würde erhöht; die höchste Progressionsstufe soll gemäss der Initiative von 13 auf 17 Prozent angehoben werden.

 Begründet wird die Initiative wie folgt: In den letzten Jahren habe sich die Schere zwischen Arm und Reich immer stärker geöffnet. Steuern wurden gesenkt oder abgeschafft (Abschaffung Handänderungssteuer und Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen) und die Ausfälle durch höhere Gebühren und vor allem Sparpakete kompensiert. Als Folge davon würden Personen mit tiefen und mittleren Einkommen immer stärker durch steigende Kosten z. B. für Bildungseinrichtungen, die Kinderbetreuung, die Tarife im öffentlichen Verkehr und ganz besonders durch die jährlich steigenden Krankenkassen-prämien belastet. Durch einen höheren Freibetrag und eine stärkere Besteuerung extrem hoher Einkommen könne diese Entwicklung gebremst werden.

 In der Tat ärgern auch mich viele der von den Initianten aufgeführten Gründe, die sie zu dieser Initiative bewegen. Ich komme aber bei meiner Gesamtbetrachtung zum Schluss, dass die vorliegende Initiative eine moderne Umsetzung der "Robin Hood"-Thematik darstellt und keine nachhaltige Antwort auf die finanziellen Herausforderungen der unteren und mittleren Einkommensschichten bietet. Bei aller Sympathie für Robin Hood - unser aktuelles Zürcher Steuersystem ist meines Erachtens gut austariert und die tiefen Einkommen, welche neu ganz steuerbefreit sein sollen, wurden auch bis anhin nur bescheiden besteuert. Ich persönlich finde es zudem durchaus hinterfragenswert, dass neu als Folge der Initiative über 170'000 Steuerpflichtige (entsprechen gegen 20% aller Steuerpflichtigen) gar keine Einkommenssteuern mehr entrichten müssten (bisher rund 96'000) und sich damit aus jeglicher Verpflichtung dem Staat und damit auch der Gesellschaft gegenüber verabschieden würden.
Für alle von dieser Initiative begünstigten Einkommensstufen wesentlich wichtiger wäre es, dass unser Kanton z.B. die Prämienverbilligungsmöglichkeiten der Krankenkassenprämien wieder stärker ausschöpfen und nicht laufend noch weiter kürzen würde. Das wäre dann wirklich eine spürbare Verbesserung der aktuellen Situation. Auf der anderen Seite hätte die Initiative für die steuerbaren Einkommen über 100'000 bzw. 120'000 eine markante Steuererhöhung von bis zu 30 Prozent zur Folge und ist eigentlich eine Steuer-Umverteilungsinitiative. Eine solche Erhöhung würde ganz sicher zu einer spür-baren Abwanderung bei den betroffenen Bevölkerungsschichten führen, da für sie ja bereits heute die umliegenden Kantone steuerlich interessanter sind. Das wegbrechende Steuersubstrat wäre dann wieder von uns allen durch Sparmassnahmen in den Gemeinden und im Kanton auszubaden, was bestimmt nicht im Sinne der Erfinder dieser Initiative wäre. Ein klassisches Eigentor also oder anders formuliert - ein Phyrrussieg der Initianten - wenn es tatsächlich dazu käme.

Mit der am 16. August 2017 eingereichten "Mittelstandsinitiative" wird verlangt, dass die Nullstufe, d. h. der Betrag, bis zu dem keine Einkommenssteuer anfällt, im Grundtarif von 6'700 Franken auf 10'000 Franken und im Verheiratetentarif von 13'500 Franken auf 19'000 Franken erhöht wird. Auch die nachfolgenden Progressionsstufen werden in der Regel weiter oder zumindest gleich weit gesetzt als in den bisherigen Tarifen, womit die jeweiligen Progressionsstufen später einsetzen als bisher. Die bestehende höchste Progressionsstufe von 13 Prozent entfällt und die neue höchste Progressionsstufe von 12 Prozent setzt im Grundtarif nicht mehr ab 188'700 Franken, sondern erst ab 197'600 Franken und im Verheiratetentarif nicht mehr ab 284'800 Franken, sondern erst ab 302'300 Franken ein.
 Verglichen mit den geltenden Einkommenssteuertarifen führen die mit der Volksinitiative vorgeschlagenen Tarife für alle Einkommensklassen zu Steuersenkungen. Ausgehend von den für das Budget 2018 geschätzten Einkommenssteuern werden die Steueraus-fälle für den Kanton auf 360 Millionen Franken beziffert. Hinzu kämen Ertragsverluste bei den Gemeinden in ungefähr gleicher Höhe, bei denen sich die Erträge aus der Einkommensteuer ja nach Gemeinde zwischen 7 und 13 Prozent reduzieren würden. Das sind 5 bis 6 Steuerfussprozente. Vergleichsweise harmlos ist da die alljährliche Forderung der SVP in der Budgetdebatte um 2% Steuersenkung ...

Wir brauchen weder eine Steuer-Umverteilungsinitiative à la Robin Hood, noch diese "Kahlschlag Steuersenkungsvariante", welche unseren Kanton und die Gemeinden völlig unmotiviert und unnötig massivst beschneiden würde. Für die aktuell auf uns zukommenden Herausforderungen gäbe es keinerlei dynamischen Spielraum mehr. Im Gegenteil, die einzige zu beobachtende Dynamik wäre, dass das wegbrechende Steuersubstrat zu neuerlichen massiven Sparmassnahmen in den Gemeinden und im Kanton führen und viele Gemeinden in grosse Nöte bringen würde. Soviel Luft zum Ablassen hat es in den allermeisten unserer Gemeinden definitiv nicht mehr.

Der Kantonsrat empfiehlt beide Initiative zur Ablehnung, auch die EVP-Fraktion hat sie im Kantonsrat geschlossen abgelehnt.